• DAS PROBLEM

    Funktionale Analphabeten können einzelne Wörter oder Sätze lesen und schreiben - allerdings wie Grundschüler in der zweiten oder dritten Klasse. Ihre Fähigkeiten reichen zur funktionalen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht aus.

  • Kein Einzelfall

    6,2 Millionen Menschen in Deutschland sind funktionale Analphabeten. Umgerechnet sind das 12,1 Prozent aller Erwachsenen – mehr Menschen, als in Berlin, Hamburg und Nürnberg zusammengenommen wohnen.

  • DIE GRÜNDE

    Es gibt nicht den einen Grund, warum funktionale Analphabeten nicht richtig lesen und schreiben können. Aber es gibt Gemeinsamkeiten: Zum Beispiel wenig Unterstützung in der Familie oder fehlende Lese- und Schreibvorbilder.

Was ist funktionaler Analphabetismus?

Das Problem

Funktionale Analphabeten haben nicht die Lese- und Schreibkenntnisse, die unsere Gesellschaft von Erwachsenen erwartet. Sie können zwar einzelne Wörter schreiben und einfache Sätze lesen, verstehen aber den Sinn eines längeren Textes nicht. Sie lesen und schreiben wie Grundschüler in der zweiten oder dritten Klasse. 

Trotz Schulpflicht hat jeder achte Erwachsene in Deutschland dieses Problem. Betroffene überlegen sich genau, wem sie von ihrer Schwäche erzählen, die wenigsten gehen offen damit um. Denn obwohl sie im Alltag immer wieder auf die Hilfe anderer angewiesen sind, ist die Angst, als „dumm“ abgestempelt zu werden, einfach zu groß.

Die Betroffenen

KEIN EINZELFALL

In unserer Gesellschaft spielt die Schriftsprache überall eine Rolle. Oder hast du schon einmal einen ganzen Tag lang nichts lesen oder schreiben müssen? 6,2 Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig lesen und schreiben, das ist jeder Achte, dem du begegnest. Sie sind funktionale Analphabeten. Betroffene gibt es in allen sozialen Gruppen und Altersklassen. 1,8 Millionen der Betroffenen in Deutschland sind zwischen 18 und 35 Jahre alt.

Haben die Betroffenen einen Schulabschluss?

40,6 Prozent verfügen über einen Haupt- oder Förderschulabschluss. 22,3 Prozent haben keinen Schulabschluss. Aber auch Personen mit höherer Bildung sind mit 16,9 Prozent vertreten.

Sind alle Betroffenen arbeitslos?

Nein, mit 62 Prozent ist mehr als die Hälfte erwerbstätig. Knapp 13 Prozent sind arbeitslos und weitere 13,7 Prozent sind zu Hause, zum Beispiel als Hausfrau oder -mann oder in Frührente. Auch unter Auszubildenden und Rentnern gibt es funktionalen Analphabetismus.

Nur ein Problem von Menschen mit Migrationshintergrund?

Nein. Mehr als die Hälfte, fast 53 Prozent, sind deutsche Muttersprachler. Über 47 Prozent haben zuerst eine andere Sprache gelernt.

Sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen?

Männer sind stärker von funktionalem Analphabetismus betroffen: Ihr Anteil liegt bei 58,4 Prozent. 41,7 Prozent der Betroffenen sind Frauen. 

Wie kann das sein?

Soziale Gründe

Viele Betroffene haben Eltern ohne einen Schulabschluss oder sind in sozial schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Sie kennen Gewalt, finanzielle Probleme und familiäre Ablehnung. Sie hatten zu Hause wenig Hilfe bei schulischen Problemen und beschreiben ihre Schulzeit als quälend.

Keine Lese- und Schreibvorbilder

Es gibt aber auch Menschen, die aus einer intakten Familie kommen und funktionale Analphabeten sind. Wenn die Eltern kein Interesse am Lesen und Schreiben zeigen, überträgt sich das häufig auf die Kinder. Das bremst die Neugier und macht das Lernen schwierig.

Pädagogische Überforderung

Funktionale Analphabeten haben in den meisten Fällen einen Schulabschluss. Ihre Schwäche haben sie zum Beispiel durch mündliche Leistungen ausgeglichen, manche sind durch eine wohlwollende Benotung irgendwie durchgekommen. Dabei ist eine einseitige Schuldzuweisung in Richtung der Lehrkräfte nicht richtig. Viele Schulen stehen heute vor großen Herausforderungen: Sie suchen Lösungen für Kinder, die ungünstige Bedingungen für das Lesen und Schreiben mitbringen. Schüler kommen mit sehr unterschiedlichen Kenntnissen in die Grundschule und diese müssen ausgeglichen werden. Dabei müssen nicht nur Fachkräfte, sondern auch Eltern das Lernen aktiv begleiten.

Gesundheitliche Ursachen

Wer eine ärztlich diagnostizierte Teilleistungsstörung wie Legasthenie hat, gilt im engeren Sinne nicht als funktionaler Analphabet. Dann liegen neuronale Störungen vor, die es den betroffenen Personen erschweren, Buchstaben und Zeichen zu Wörtern zusammenzufügen. 

ANZEICHEN RICHTIG DEUTEN

Wer nicht richtig lesen und schreiben gelernt hat, entwickelt viele Strategien, um davon abzulenken. Und die Betroffenen sind ziemlich fantasievoll, wenn es darum geht, das Problem zu überspielen. Wie kannst du funktionalen Analphabetismus ERKENNEN?